Kleine Löwchen-Kunde

Anni ist ja nun ihres Zeichens ein Löwchen.
Wenn man noch nie von dieser Rasse gehört hat, ist es keine Schande. Das geht den meisten Leuten so. Ich selbst wusste ein paar Monate vor Annis Geburt auch noch gar nicht, dass diese Rasse existiert.

Als mir die Idee kam, mir einen Hund anzuschaffen, durchforstete ich das Internet nach einer Sorte, mit der ich kompatibel bin.
Es gibt Seiten, auf denen die einzelnen Rassen aufgeführt und auch ihr (mutmaßlicher) Charakter beschrieben werden. Ich wühlte mich da durch.
Leider musste ich einige Vorgaben machen: 

1. Der Hund sollte nicht zu viel wiegen, so dass ich ihn notfalls in den dritten Stock tragen kann. Darum konzentrierte ich mich auf Kleinhunde.

2. Der Hund darf nicht allzu viel bellen, denn ich wohne zur Miete. In irgendeiner Wohnung im Haus lebte mal für etwa drei oder vier Wochen ein Hund (ich nehme an, der rechtmäßige Besitzer war in Urlaub oder im Krankenhaus) und jedes Mal, wenn sich im Treppenhaus irgend etwas rührte, kläffte der Köter wie verrückt. Das schreckte mich ab. So einer würde meine Nerven strapazieren und die meiner Nachbarn erst recht. Die Vermietergesellschaft ist ja sehr tolerant, aber ich denk mir, Beschwerden würde sie nachgehen.

Also strich ich alle Rassen von meiner Liste, wo stand: Passt gut auf. :o) 

3. Der Hund sollte  von Natur aus möglichst friedlich und leicht zu erziehen sein. Ich bin selber friedlich und wäre mit einem allzu kregeligen und draufgängerischen Tier überfordert.

Klar war deshalb: Einen Terrier sollte ich besser nicht nehmen, auch wenn die Größe ideal wäre. Terrier sind irgendwie anstrengend! Das ist nicht ihre Schuld, sie waren ja mal Jagdhunde, da brauchten sie ihre endlose Energie. Aber für mich ist das nichts mehr. Außerdem kann man leicht das Problem bekommen, dass sich der Hund nicht gut mit anderen Haustieren versteht, zumindest nicht mit fremden. Es gibt sehr liebenswerte Terrier-Persönlichkeiten, keine Frage, da kenne ich etliche (ich sag nur: Carla!). Für mich ist es aber sehr wichtig, dass mein Hund möglichst wenige Ecken und Kanten hat.

4. Der Hund sollte mit moderaten Spaziergängen zufrieden sein.
Ich hab zwei operierte Knie und bin nicht so gut zu Fuß wie in jungen Jahren. Drei Stunden am Stück kann ich nicht mehr Gassi gehen. Also sortierte ich auch alle Rassen aus mit dem Merkmal "großer Bewegungsdrang", "braucht viel Auslauf" und ähnlich.

Es sollte also praktischerweise keine Rasse sein, die ursprünglich als Arbeitshund konzipiert war, denn das kommt doch immer wieder durch. Wie eben zum Beispiel bei Terriern. Aber auch viele andere Rassen wurden ursprünglich zum Hüten, zur Jagd, zum Bewachen gezüchtet. Ich treffe nicht selten Leute, die ihren Hund an der Leine halten und sagen, sie können ihn nicht loslassen - der rennt sofort weg, wenn er ein Kaninchen ahnt. Ich wollte mir solche Situationen ersparen. 

Aber wie und wo findet man meinen Idealhund??? 

Viele kleine Rassen sehen zwar niedlich aus mit kurzen Beinchen, langem Rumpf, großem Kopf und flachen Schnäuzchen. Nur hab ich immer die Sorge, dass die Tiere in höherem Alter Probleme bekommen mit den Gelenken, dem Rückgrat oder mit den Atemwegen. (Löwchen werden, so steht's im Internet, 12 bis 14 Jahre alt.) Einen Mops hätte ich vielleicht genommen, weil das so nette Hunde sind, wollte aber diese Qualzüchtung nicht unterstützen. (Mittlerweile gibt es aber doch wieder welche "mit Nase", wie Perserkatzen auch. Wunderbar! Ich wusste das damals aber nicht.) Dann gibt es auch noch sehr kleine Hunde, die sich durch ihr Leben zittern und anfällig sind bei schlechtem Wetter…

Tja, nach all dem blieb mir auf der Liste nur das Löwchen.

Wobei ich sagen muss, meine Liste der Kleinhundrassen war nicht vollständig. Wahrscheinlich hätte es durchaus noch andere Optionen für mich gegeben. Aber als ich das Löwchen entdeckt hatte und dazu die Homepage der Züchter  Martina Rieck und Herbert Döß da war alles klar: Ein Löwchen oder nix.

So, nun weiß man schon ein wenig über diese Hunde: Sie haben keine angezüchteten Krankheitsrisiken. Sie sind harmonisch proportioniert. Sie sind keine Kläffer. Sie können sich gut anpassen – einer Familie mit  quirligen Kindern oder auch einer Rentnerin, die nicht mehr so gut zu Fuß ist.

Das heißt natürlich nicht, dass man ein Löwchen den ganzen Tag aufs Sofa verbannen kann, Spaziergänge müssen schon sein. Aber man muss nicht länger als eine Stunde unterwegs sein, das krieg sogar ich noch hin. Wir gehen außerdem mehrmals am Tag.

An den Suchbegriffen, durch die mein Blog von Google gefunden wird, sehe ich, dass manchmal auch die Frage "den Hund alleine lassen" auftaucht. So weit ich höre, sind Löwchen in allem unproblematisch, man kann sie auch alleine in der Wohnung lassen, ohne dass sie Lärm machen oder die Einrichtung zerlegen. Allerdings ist jeder Hund ein Individuum und man kann nicht pauschal die Hand für sie ins Feuer legen. Vier Stunden waren bisher die längste Zeit, die Anni alleine war, und das ging immer problemlos. Ich bin ja in Rente und muss nicht für 9 oder 10 Stunden das Haus verlassen. Nur wenn wir mal zu Ikea fahren - da darf man leider keine Hunde mit reinnehmen - dann muss Anni die erwähnten vier Stunden ausharren.

Überall findet man im Internet die Information, die Löwchen-Rasse sei schon 700 Jahre alt. Ich hab da so meine Zweifel, dass es sich die ganze Zeit um genau dieselbe Zucht handelt. Vielleicht waren es einfach kleine Hunde mit geschorenem Hintern.

 Hier gibt es historische Darstellungen. Schon am Bild des Hundes neben Katharina von Mecklenburg sieht man ganz deutlich: Er hat Steh-Ohren. Einige der abgebildeten Hunde haben durchaus ein ähnliches Gesicht wie die heutigen, andere sehen aber auch wieder ganz verschieden aus.

(Wenn wieder einmal der Link zu der Seite verloren gegangen ist: Einfach bei Google "Bilder" wählen und dann das Stichwort "Katharina von Mecklenburg" eingeben. Es kommen sehr viele Bilder, aber fast alle die gleichen, darunter auch das mit dem Hündchen.)

Trotzdem ist das keine eben erst erfundene Rasse. 1969 stand sie als seltenste Hunderasse im Guinness-Buch der Rekorde, es gab 40 Exemplare weltweit und die Hälfte davon in Deutschland – obwohl sie eigentlich aus Frankreich und Belgien stammen und zu den französischen „Bichons“ zählen. (Bichon = flauschig.) Die anderen sind: Havaneser, Malteser, Bologneser, Bichon Frisé, Coton de Touléar, und seit einiger Zeit werden auch die russischen Bolonka Zvetna bekannter. Das sind die Kleinsten von allen.

In Belgien nämlich züchtete Madame Bennert 1946 aus drei Löwchen, die sie aus verschiedenen Ländern zusammen gesucht hatte, eine neue Linie, nachdem die Löwchen überall vergessen und fast ausgestorben waren.

Großes Glück hatte diese Rasse in den Achtzigern. Das Schlimmste, was einer Hunderasse passieren kann, ist Berühmtheit, zum Beispiel wenn sie  in einem Hollywoodfilm erscheint. Oder in einer bekannten Serie. Schon wollen alle so einen Hund haben, die unseriösen Züchter wittern das große Geld und produzieren Welpen auf Teufel komm raus, bis der Standard ziemlich verhunzt ist. Auf Charaktereigenschaften wird dann schon mal überhaupt keine Rücksicht genommen.

Diesem Schicksal wie gesagt entgingen die Löwchen haarscharf, weil Friedwart in der Serie „Hart aber herzlich“ als Mischling vorgestellt wurde, den jemand am Strand gefunden hatte. Und darum wusste fast niemand, dass man so einen Hund kaufen kann…

Charakter - man hört und liest immer dasselbe: Fröhlich, gelehrig, verspielt, robust, verschmust. Frau Rieck hatte mal nebenbei kurz erwähnt "Löwchen sind wie Katzen", und nun weiß ich auch, was sie meinte. Mein Löwchen ist auf jeden Fall ein Freigeist und sieht keineswegs seinen Lebensinhalt darin, mir willenlos zu Willen zu sein. Es gibt ja Hunde, die kennen nichts Schöneres als zu gehorchen. Anni könnte nicht sagen, wozu das gut sein sollte. Sie wägt jedes Mal ab: "Ist das jetzt so wichtig, dass ich sofort hören muss, oder darf es noch ein bisschen dauern..."

Aber keine Sorge, völlig ungehorsam sind die auch wieder nicht. Man muss es nur ein paarmal öfter sagen. Es gibt so eine Situation, in der Anni nicht hören will, nämlich wenn sie einen Tümpel findet und unbedingt reinspringen muss! Da steh ich am Ufer und brüll, und mein eben noch weißer Köter steht im brackigen Wasser und tut so, als ob er nix hört. Jedenfalls eine Weile. Dann am Ende kommt sie doch, nass und dreckig, und hält mir freudig den Kopf hin zum Kraulen, indem sie sich auf die Hinterbeine stellt und sich mit den Matschpfoten an meiner Jacke abstützt. Sie weiß ja: Ich bin so dankbar, dass sie zurückgekommen ist, dass ich sie belohne. Niemals darf man einen Hund bestrafen, wenn er zu einem kommt; ich geh mal davon aus, dass das jede vernünftige Person weiß. Deshalb begrüße ich sie immer freundlich, egal was eine Sekunde vorher los war. (Abgesehen davon halte ich eh nichts von Bestrafung. Das nützt schon bei Menschen wenig, und die verstehen immerhin noch das Prinzip von "Strafe". Bei einem Hund zerstört man nur das Vertrauen.)  Außerdem, ich wurde von Katzen sozialisiert. Dann dreht man ohnehin nicht gleich am Rad, wenn das Haustier nicht aufs Wort gehorcht...


Und Anni kläfft tatsächlich sehr wenig. Eigentlich nur, wenn sie erschrickt, dann entfährt ihr ein Bellen wohl eher unwillkürlich. Zum Beispiel, wenn sie glaubt, dass ein Fremder schnurstracks in die Wohnung marschieren will. Gelegentlich, aber nicht sehr oft, nähert sich ein Nachbar recht laut trampelnd unserer Wohnungstür, denn direkt daneben ist die Treppe zu den oberen Stockwerken. Und dann macht Anni Lärm! Als Hund weiß sie ja nicht, dass es unter Menschen ein absolutes No-Go ist, in fremde Wohnungen zu platzen; sie glaubt, sie müsste den Eindringling abschrecken. Ich ruf dann aber sofort: "Anni!! Leise!! Ruhe!!" Sie weiß schon genau, dass sie nicht kläffen soll, und hört auch auf, sobald sie kann. Meistens grummelt und röchelt sie dann so vor sich hin, das ist ihre eiserne Selbstbeherrschung. 
Aber eines muss ich sagen: Annis Knurren höre ich sehr, sehr gerne! Es klingt so melodisch - man könnte meinen, sie singt.

Eine andere Sache, auf die viele Leute Wert legen, ist das mit dem Haare-Verlieren. Nun, wer Haare hat, dem geht auch mal eines aus, die haben ja auch nur eine begrenzte Lebensdauer. Löwchen verlieren also tatsächlich auch mal ein paar Haare, aber im Vergleich zu anderen Hunden - oder gar Katzen! - ist das Problem gering. Da, wo sie immer liegt, also in ihrem Bett oder auf einer Hundedecke, da liegt auch mal ein bisschen Fell, aber das kriegt man leicht weg.

Es ist wie bei Pudeln: Die haben auch nur Unterwolle, keine Grannenhaare. Grannen sind die glatten, oberen, an denen der Regen abperlt. Bei einem armen Hund wie Anni klappt das nicht, ihre Wolle saugt Feuchtigkeit auf wie ein Handtuch, das Tier wird im Nu klatschnass, und wenn dann noch ein kalter Wind weht, friert es sie sichtbar. Bei sehr starkem Regen ziehe ich ihr ein Mäntelchen an. Ich bin ja keine Freundin von Hundeklamotten, und unseres ist auch transparent, damit es möglichst wenig albern aussieht. Aber ich möchte auch nicht, dass Anni sich erkältet.

Wo ich gerade "Grannen" erwähnte. Da kann ich gleich mal etwas klugscheißen als gelernte Hundepflegerin: Viele Leute sagen immer, ein Pudel würde "getrimmt". Das geht gar nicht. Ein Pudel wird geschoren. Trimmen ist in diesem Zusammenhang eine besondere Technik, die man nur bei rauhaarigen Hunden anwenden kann; es gibt dafür ein spezielles Trimm-Messer. Das erinnert an ein kleines Kartoffelschälmesser, das an der Klinge viele kleine Einschnitte hat wie ein Kamm mit sehr kurzen Zinken. (Kann man auch googeln, um es zu sehen.) Das nimmt man in die Hand, legt den Daumen gegen die "Zinken" und reißt dem Hund die lose Unterwolle raus. Das tut ihm nicht weh! Festsitzende Haare werden dabei nicht ausgerissen. Bei einem Pudel könnte man so etwas nie machen, der hat ja auch nur solche losen Haare, die sich mal aus Altersgründen verabschieden wie beim Menschen. Und beim Löwchen.

Löwchen gibt es in so ziemlich allen Farben. Weiß und schwarz, creme und grau, auch gelegentlich mal braun, und dazu nicht nur einfarbig, sondern auch gefleckt und gestromt. Die braune Farbe war bis 2004 "verboten" - den Grund kann ich nur raten. Vielleicht, weil sie nicht stabil ist. Als Anni geboren wurde, war sie zweifarbig, nämlich weiß mit schokoladenbraunen Flecken. Schon als wir sie abholten, da war sie 11 Wochen alt, sah man, dass die braunen Haare heller nachwuchsen. Mittlerweile verfügt ihr Fell über viele Schattierungen, leider sieht man das auf Fotos gar nicht. Die Schokolade wurde zu allem Möglichen, von dunklem Taupe über helleres, von grau-sandfarben bis fast blond. Auf dem Kopf ist Anni am buntesten. 

In vielen Internet-Einträgen sieht man immer noch das Braun-Verbot, das braucht einen aber nicht mehr zu kümmern. Abgesehen davon: Was sich irgendwelche Hanseln im Vorstand eines Zuchtverbandes ausdenken, ist mir eh schnurz. Denen darf man nicht allzu viel Menschenverstand zutrauen - man denke nur mal an die Zuchtvorschriften, die den Tieren endlose Qualen bereiten. Hüftprobleme, weil der Rücken hinten schön abfallen soll, Atemprobleme, weil das Gesicht schön kurz sein soll, Tiere ohne Fell, die immerzu frieren... und dann soll es schlimm sein, weil sich braune Haare aufhellen! Dies zumindest tut dem Tier nicht weh.

Was mir auch sehr gut gefällt an Anni ist die völlig fehlende Aggressivität. Wird sie angekläfft, geht sie einfach stumm weiter und ignoriert den Kläffer. Begegnet ein anderer Hund ihr aggressiv, läuft sie heulend zu Muttern. Anni kann sich nicht so recht wehren. Eine Charaktereigenschaft bei Löwchen ist, dass sie keine rauhen Spiele mögen. Ich hatte das zwar gelesen, es aber nicht so wichtig genommen. Dann spielten wir eines Tages Treibball mit ihr. Das machte auch großen Spaß - bis der Ball, der aufblasbar war und kaum mehr wog als ein Luftballon, sie an der Seite traf. Beim ersten Mal guckte sie schon komisch, beim zweiten Mal war Schluss - Anni spielte nicht weiter. Das war ihr zu grob! 

Auch wenn andere Hunde sie zu sehr anrempeln, versucht sie sich zu wehren. Annis größte Aggression: Sie knurrt, zeigt ihre weißen Zähnchen und schnappt ungezielt in die ungefähre Richtung des anderen Hundes. Man sieht aber, dass sie nur zeigen will, was ihr nicht passt, dass sie nicht die geringsten Anstalten macht, zu beißen. Das würde sie sich nie trauen, dafür geh ich jede Wette ein. (Und ich weiß, wie selten man wetten sollte bei den Viechern.)
  
Eine der Suchanfragen, mit denen Leute auf mein Blog kommen, lautet: "Passt ein Löwchen zu mir?". 

Darauf kann ich nur sagen: Ganz bestimmt, wenn du nicht gerade einen Kampfhund suchst. Oder auch einen Jagd-, Hüte- oder Schlittenhund. Mit dem Aufpassen ist das auch so eine Sache. Ein Löwchen schlägt zwar an, wenn jemand in die Wohnung will, lässt sich aber innerhalb einer Sekunde bestechen. Das kann ein Leckerchen sein, oder auch nur freundliche Ansprache. Jedermann ist eines Löwchens Freund, da muss man sich schon ganz schön anstrengen, um es nicht zu sein. Dafür sind sie aber auch gezüchtet. Genau das sollen sie sein: Ein Freund des Menschen und jedes anderen Lebewesens.

Anni überraschte mich mal sehr: Ein Kollege meines Lg war kurz da, um etwas abzuholen. Nach ein bisschen Quatschen im Wohnzimmer verabschiedete er sich und gab mir die Hand. Da grollte Anni!! Und ich war völlig perplex. Sie hätte dem Mann selbstverständlich nichts angetan, gab ihm aber zu verstehen, dass er mich nicht anfassen durfte.

Tja, manchmal wundert man sich.

Ich kann jedenfalls sagen, dass meine Suche nach dem idealen Hund genau für meine Bedürfnisse Erfolg hatte!