Montag, 10. August 2015


Was man ohne Hund alles nicht erlebt hätte.....

Vorgestern hatte ich ohnehin nicht vor, mittags besonders lange mit Anni spazieren zu gehen. Der Lg und ich wollten nachmittags zu Pflanzen-Kölle und den Hund mitnehmen, da wollte ich meine Kräfte nicht schon vorher vergeuden.

Wir wanderten also durch den kleinen Weg am Parkhaus entlang, der in die Farmsener Landstraße mündet. Ich wollte in einem Bogen der Straße folgen und wieder nach Hause. Dann sah ich etwas auf dem Gehweg - genau vor der Einfahrt beim Zahnarzt Hardy Isele. Es sah von weitem aus wie eine Schnecke. Aber so ein Riesenvieh? Hab ich plötzlich Vergrößerungs-Augen? Neugierig ging ich darauf zu, und tatsächlich! Das war die größte Schnecke, die ich je gesehen habe, und sie wanderte schnurstracks geradeaus.

Nee, Mädel, dachte ich (oder auch mien Jung - Schnecken sind Zwitter), das überlebst du hier nicht lange. Irgend eine Unachtsamkeit von irgend jemandem, und es gibt eine tödliche Verletzung. Ich stell ja immer wieder fest, dass es Leute gibt, die überhaupt nichts davon sehen, was um sie herum kreucht und fleucht, und besonders nicht vor ihren Füßen.

Ich hob das Tier auf und erriet, dass es sich nur um eine Weinbergschnecke handeln konnte. Diese Art von Häuschen hatte ich schon im Supermarkt gesehen, aber mit Knoblauchbutter gefüllt. Bloß, ich konnte nicht begreifen, wie sie nach Hamburg gekommen war. Weinberge sind hier nun wirklich nicht.

Ob sie einem Schlachter entkommen war, der unter grausamem Gelächter die Schneckenhäuser abreißt und sie mit Knoblauchbutter füllen lässt?

Ich setzte sie auf ein paar große breite Blätter und trug sie erstmal nach Hause. Dort brachte ich das Tierchen in einem unserer kleinen Plastik-Terrarien unter, die für Futtergrillen gedacht sind, eigentlich heißen die Faunarien. In so einem ist im vorigen Jahr die Raupe "Raupi" aus dem Salat geschlüpft und zu einem Kohlweißling geworden, den wir aus dem Schlafzimmerfenster in die Natur entließen.

Ich warf den Rechner an - ein Hoch auf die Technik! - und gab "Weinbergschnecke" ein. Ja, da war sie, genau, das helle Netzmuster am Körper. Die Häuschen werden bis zu 5 Zentimeter groß, das war bei meinem Findling eindeutig der Fall.

Nun erlebte ich einige Überraschungen: Es gibt Weinbergschnecken in ganz Europa bis rauf nach Südschweden. Die brauchen gar keinen Weinberg! In lichten Wäldern wohnen sie und überall, wo es grün ist. Sie werden in der Natur etwa 8 Jahre alt und im Terrarium bis zu 30! Und ich bin 64 Jahre lang auf der Welt und seh so eine zum allerersten Mal!

Und sie sind streng geschützt, wie alle Schnecken mit Häuschen. Das hatte ich auch nicht gewusst. Essen darf man nur solche aus speziellen Zuchten... na ja, wer's mag. *schauder* Es ist schon deshalb nicht ratsam, wilde Weinbergschnecken zu essen, weil sie giftige Pflanzen auf ihrem Speiseplan haben. Wenn sie zum Beispiel gerade Tollkirschen zu Mittag hatten, genügen zwei Schnecken, um einen Menschen umzubrigen. Ja, steht im Internet! Einige Leute haben die Giftkonzentration gemessen.

Gurken und "Wurzeln" (sagt man im Norden, Möhren und Karotten woanders) (wobei "Karotten" für uns nur die ganz kleinen rundlichen Sorten sind) die mögen Weinbergschnecken, las ich. Okay, gerne, eine Scheibe grüne Gurke ins Faunarium: Mein Schneck wendet sich deutlich erkennbar angewidert ab! Hm, stimmt auch nicht alles, was im Internet steht...

Überhaupt gefiel die Plastikzelle dem Besucher gar nicht. Mürrisch zog er sich in seine Privatgemächer zurück und zeigte der Welt die kalte Schulter.

Mein Lg und ich überlegten. Wie kann eine Schnecke auf die Farmsener Landstraße gekommen sein? Aus dem Volksdorfer Wald sicher nicht, dafür müsste sie über die Fahrbahn. Das ist hundertpro tödlich! Bisschen Wald ist zwar auch auf dieser Seite der Straße, viel aber nicht, und da soll sie all die Jahre unbemerkt herumgelaufen sein, ohne jemals irgendwem unter die Füße zu geraten?

Besonders wahrscheinlich wirkt das nicht, aber andererseits, irgendwie kam sie ja nun mal da hin.

Der Volksdorfer Wald ist am Boden eigentlich kaum grün. Hauptsächlich liegen da braune trockene Blätter, weiter nichts, wovon soll sich da eine Schnecke ernähren? Und es gibt überall Wege kreuz und quer, die unbegehbaren Areale sind sehr klein. Der Lg kam auf die Idee: Der Wald bei der Streuobstwiese, da wo das von Loki Schmidt einst gesponserte Beet ist! Da reicht die Natur bis nach Sasel, da hat auch eine Weinbergschnecke reichlich Platz. Sehr menschenleer ist es dort, und dabei nur einen Kilometer Luftlinie entfernt. Was Schnecken nämlich brauchen, das leuchtet ja auch ein, ist kalkhaltiger Boden. Wir hätten gern einen Geologen gefragt, glauben aber, dass sich die Bodenbeschaffenheit auf so kurze Entfernung nicht wesentlich ändert. Dass also der Wald da hinten auf ebenso kalkigem Boden wächst wie der in Volksdorf.

So hatten wir denn ein Ziel für die Mittagsrunde am nächsten Tag - das war gestern.

Am Vormittag schafften wir es tatsächlich, das Gecko-Terrarium gründlich zu erneuern. Es sieht jetzt endlich wieder so aus, dass man reingucken mag. Vom Gartencenter hatten wir zwei Efeututen in Hydrotöpfen mitgebracht, damit es nicht so schlimm wird, wenn man mal das Gießen vergisst...

Am frühen Nachmittag fuhren wir dann los, um die Schnecke auszuwildern! Der Weg ist ziemlich weit, jedenfalls wenn man den Rückweg auch noch laufen muss; wir fuhren also ein Stück mit dem Auto und wanderten die Zweite Hälfte des Weges zu Fuß.

Unterwegs mussten wir noch ein paar Erinnerungsbilder machen:

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Das Weiße auf dem Häuschen war so etwas wie Spinnenwebe, ich hab die später noch abgerubbelt. Es fällt auf dem Foto viel mehr auf als in Wirklichkeit.

Hier unser Schneck in der Plastikdose. Nachdem es mit der Gurke so gar nicht hinhaute, versuchte ich es mit Karotte - und he, die ließ er gar nicht wieder los! Die kam also mit, als Wegzehrung. 

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Wir setzten unseren Schützling samt Karottensnack in den Schatten unter Farnen und machten uns auf den Rückweg. Hier noch ein Foto von Anni und mir:



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Ja, auf dem Hemd steht:

"Dies ist mein Gassi-Geh-Shirt".

Geschenk vom Lg. :-)

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